An der griechisch-türkischen Grenze spielt sich derzeit eine humanitäre Katastrophe unbeschreiblichen Ausmaßes ab. Nachdem die Türkei die Grenzen nach Griechenland für flüchtende Menschen geöffnet hat, befinden sich massenhaft Flüchtende auf dem Weg nach Europa, wo sie sich ein menschenwürdigeres Leben als unter dem Erdogan-Regime erhoffen. Diese Hoffnung wird schon beim Versuch der Grenzüberquerung brutal enttäuscht – Griechenland hat einfach das Recht auf Asyl offiziell ausgesetzt, das griechische Militär übt an der Grenze bereits den Einsatz scharfer Munition, die griechischen Sicherheitskräfte setzen Tränengas gegen Kleinkinder ein. An der griechischen Grenze konstituiert sich zusätzlich zum brutal auftretenden Staat außerdem ein rechter Mob, der Flüchtende und auch Medienvertreter*innen angreift.

Das islamistisch-faschistische Regime in der Türkei gibt sich ebenfalls alle Mühe, die Situation weiter zu eskalieren und transportiert flüchtende Menschen mit Bussen an die Grenze. Bei diesem Manöver handelt es sich um einen Erpressungsversuch: Erdogans Regime will die NATO und die EU zwingen, ihn bei seinem Einmarsch in Syrien zu unterstützen, da die türkischen Truppen und ihre islamistischen Verbündeten dort mit Problemen zu kämpfen hatten.

Es handelt sich also um einen komplexen Konflikt, der viele verschiedene Akteure einschließt – bei einem näheren Blick zeigt sich jedoch, dass einer der Hauptverantwortlichen für das Leid der Flüchtenden ein Staat ist, der gar nicht in der Region liegt – und zwar Deutschland. Hier ein genauerer Blick auf die einzelnen Akteure:

Der nicht enden wollende Syrienkonflikt

Der Krieg in Syrien ist ein Paradebeispiel für einen Konflikt, in dem man sich gar nicht entscheiden kann, wer schrecklicher ist:

Auf der einen Seite das Regime des Diktators Assad, der brutal gegen Proteste der Zivilbevölkerung vorgeht und vor allem dank massiver Unterstützung des islamistischen Regimes des Irans und des antidemokratischen reaktionären russischen Despoten Putin an der Macht halten kann, auf der anderen Seite eine ganze Reihe von islamistischen Terrororganisationen, die meisten dank finanzieller Mittel aus der Türkei oder aus den absoluten Monarchien am Persischen Golf (Katar, Saudi-Arabien) eine Zeit lang in der Lage waren, Assad gefährlich zu werden. Letztendlich zeigte sich Assad aber als militärisch überlegen, die Gebiete der islamistischen Opposition waren bis auf die Provinz Idlib unter Kontrolle Assads gebracht worden. Das jedoch konnte die Türkei nicht akzeptieren – weshalb türkische Truppen in Idlib einmarschierten, und zwar mit deutschen Panzern.

Es gibt aber im syrischen Bürgerkrieg auch zumindest einen sympathischen Akteur:  Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), ein Bündnis aus linken kurdischen Selbstverteidigungseinheiten, demokratischen arabischen Einheiten und den militärischen Strukturen zahlreicher ethnischer und religiöser Minderheiten, die im Nordosten Syriens ein unter dem Stichwort „Rojava“ bekanntes selbstverwaltetes Gebiet errichtet haben und eine Schlüsselrolle dabei hatten, die Massenmörder vom Islamischen Staat (IS) zu besiegen. Aber auch das fand das türkische Regime wenig angenehm – und marschierte bereits in mehreren Regionen Rojavas mit deutschen Waffen ein und vertrieb die dortige Bevölkerung.

Unterstützung aus Deutschland gab es für die Syrischen Demokratischen Kräfte SDF natürlich nicht, stattdessen bleibt Deutschland wirtschaftlich und politisch einer der Hauptunterstützer der Türkei.

Die europäische Grenzpolitik

Hintergrund der deutschen Unterstützung der Türkei ist dabei auch, dass die deutsche Regierung nach der groß zelebrierten Aufnahme von ein paar Flüchtlingen im Jahre 2015 einen Abschottungskurs fährt. Die deutsche Kooperation mit Diktaturen, deutsche Waffenlieferungen, die Ausbeutung großer Teile der Welt auch durch deutsche Unternehmen und zunehmend auch die deutschen Treibhausgasemissionen sind einige der Gründe dafür, dass sich in vielen Regionen Menschen gezwungen sehen, zu fliehen, aber diese Konsequenzen will die deutsche Regierung nicht spüren.

Deshalb trägt sie die Abschottungspolitik der EU mit. Elemente dieser Politik sind, dass Deutschland und die EU ihre Grenzen brutal verteidigen, sei es in Griechenland oder auf dem Mittelmeer, aber auch in den an Europa angrenzenden Ländern undemokratische Kräfte für die Flüchtlingsabwehr finanziell unterstützt, seien es Kräfte wie das türkische Regime oder Bürgerkriegstruppen in Libyen. (Ist das eigentlich dieses #freuropa, von dem die SPD so viel redet?)

Die finanzielle Unterstützung von Staaten und Armeen, die selbst führend an der Anheizung von Konflikten beteiligt sind, führt natürlich dazu, dass die Zahlen von flüchtenden Menschen steigen und nicht fallen. Die finanzielle Unterstützung der Türkei im Rahmen des Flüchtlingsdeals hat entscheidend mit dazu beigetragen, Erdogan in eine Position zu bringen, in der er in Syrien einmarschieren konnte – aber das ist der deutschen Regierung egal, solang sie davon nichts mitbekommt.

Griechenland und die deutsche Europapolitik

Auch das Drama auf der anderen Seite der Grenze hängt sehr direkt mit der deutschen Außenpolitik zusammen:
Die aktuelle rechtskonservative griechische Regierung behandelt die flüchtenden Menschen menschenunwürdig. Doch warum ist diese Regierung überhaupt im Amt?

Noch vor kurzer Zeit war Griechenland das einzige dezidiert links regierte Land Europas, es regierte die griechische Schwesterpartei von DIE LINKE, die „Koalition der radikalen Linken“ (SYRIZA). 2015 gewannt sie die Wahlen im Rahmen einer breiten Mobilisierung gegen die Totsparpolitik, die vor allem die deutschen Bundesregierung Griechenland im Rahmen der Eurokrise aufzwang. Deutschland setzte Griechenland unter Druck, Sozialleistungen abzubauen, Angestellte zu entlassen und staatliche Betriebe einzustellen oder zu privatisieren, obwohl die große Mehrheit der Ökonom*innen diese Sparpolitik für fatal hält, da im Gegenteil verstärkte staatliche Investitionen in Krisenzeiten das angemessene Mittel sind.

Trotz dem klaren Wahlsieg von SYRIZA, einem Referendum gegen den Totsparkurs und der Positionierung vieler Ökonom*innen blieb die Bundesregierung hart und zwang die griechische Regierung, den Sparkurs beizubehalten. Da SYRIZA so sein linkes Programm nicht umsetzen konnte, war die griechische Bevölkerung enttäuscht – was im Wahlsieg der rechtskonservativen CDU/CSU-Schwesterpartei Nea Demokratia endete, die nun die brutale Abschottungspolitik vorantreibt.

Abschottungspolitik sabotieren, deutsche Machtpolitik bekämpfen!

An den verschiedensten Schauplätzen des Leidens der Flüchtenden – ob an den europäischen Grenzen, in der Türkei oder auch schon da, von wo sie überhaupt flüchten müssen – hat überall Deutschland die Finger im Spiel. Deshalb kann die Antwort aller, die die Menschenwürde der Flüchtenden verteidigen wollen, nur sein, alle Kritik auf die Bundesregierung zu richten und zu fordern: