Für ein imperatives Mandat

Beschluss der Mitgliederversammlumg vom 19. Juni 2022

Als basisdemokratischer und sozialistischer Jugendverband ist für uns klar: Demokratie kann nicht heißen, einmalig die Stimme abzugeben und einer Person damit völliges Vertrauen auszusprechen, mit dem so gewonnenen Mandat zu machen, was sie will.

Wir stehen für ein partizipatives Demokratiemodell, in dem Gruppenpositionen als Resultat von Bildungs- und Diskussionsprozessen erarbeitet und dann gemeinsam umgesetzt werden. Wir nehmen uns die Zeit für ausführliche Debatten, bei denen alle zu Wort kommen und bei denen wir durch Bildungselemente auch allen ermöglichen wollen, sich wirklich qualifiziert eine Meinung zu bilden. Diese Prozesse, bei denen viele Menschen ihre Perspektiven einbringen, gemeinsam nachdenken und diskutieren, sind in der Lage, Ergebnisse zu erzeugen, die im Durchschnitt durchdachter sind als Einzelmeinungen.

Im kapitalistischen Parlamentarismus existiert das sogenannte “freie Mandat”. Demnach dürfen Abgeordnete, wurden sie einmal gewählt, machen, was sie wollen – auch, wenn sie damit explizit gegen die Programmatik verstoßen, auf deren Grundlage sie gewählt wurden. Diese Regelung nutzen Abgeordnete oft, um sich jeder demokratischen Kontrolle durch die Partei zu entziehen, ohne die sie gar nicht im Parlament wären. So ist bspw. einmal eine rot-rotgrüne Regierung in Hessen daran gescheitert, dass rechte SPD-Mitglieder ihren Parteikurs ignorierten, und in unserer eigenen Fraktion gab es Vorfälle wie bspw. Bundestagsabgeordnete der LINKEN, die gegen Selbstbestimmung von trans Menschen stimmten. Das freie Mandat hat hohes Missbrauchspotential, da so Wähler:innenentscheidungen gebäugt werden können und gibt den Abgeordneten, die durch ihre Mitarbeiter:innen, ihre Büros, ihr hohes Einkommen und ihre öffentliche Sichtbarkeit eh schon sehr viel Macht haben, das Recht, völlig willkürlich zu agieren, ohne demokratisch von ihrer Basis kontrolliert zu werden. Diese Gefahr haben Linke schon lang kritisiert.

Was heißt diese Kritik aber konkret für uns?

Es gibt zwei Arten von Funktionär:innen aus der linksjugend [‘solid] Köln:

    • Als linksjugend [‘solid] Köln vergeben wir immer wieder Voten für Positionen: Uns steht ein Platz im Kreisvorstand der LINKEN zu, wir erkämpfen uns Jugendkandidaturen bei parlamentarischen Wahlen, wir entsenden Vertreter:innen in den Landesrat der linksjugend [‘solid] NRW und vergeben teilweise auch für andere Wahlen Voten. Diese Menschen haben ihre Ämter explizit als Vertreter:innen der linksjugend [‘solid] Köln bekommen, nicht nur als Einzelpersonen.
    • Zusätzlich haben viele von uns auf anderen Ebenen des Verbands oder in der Partei als Einzelpersonen ohne offizielle Entsendung der Basisgruppe Ämter, z. B. als Bundeskongress-Delegierte, im Bundessprecher:innenrat, als Delegierte des Bundesverbands linksjugend [‘solid] zum Bundesparteitag oder als Delegierte des Landesverbands NRW im bundesweiten Länderrat der linksjugend [‘solid]. Diese Menschen haben ihre Ämter nicht als Vertreter:innen der Basisgruppe, sind aber trotzdem Teil der Gruppe und werden als Teil dieser auch öffentlich wahrgenommen.

    Die erste Gruppe hat ihre Ämter für die Basisgruppe, ihre Aufgabe ist es, die Basisgruppe zu repräsentieren – diesen Anspruch, dem sie zugestimmt haben, indem sie für ein Votum der Basisgruppe kandidiert haben, sollten wir ernst nehmen. Das heißt, dass Personen, die als Vertreter:innen mit Votum von uns in Ämter gekommen sind, in ihrer Ausübung des Amts an Beschlüsse der Basisgruppe gebunden sein sollten. Das heißt nicht, dass sie jedes kleine Detail auf unsere Treffen tragen müssen, aber wir formulieren in Zukunft den klaren Anspruch, dass a) in der Amtsausübung Beschlüsse, die wir bereits haben, vertreten und umgesetzt werden, b) regelmäßig (in der Regel ca. einmal im Monat) von der Arbeit berichtet wird, und c) insbesondere Positionierungen zu innerhalb des Gremiums oder zwischen dem Gremium und anderen Teilen der Partei oder des Jugendverbands umstrittenen Themen mit der Basisgruppe abgesprochen werden. Dieses Verhältnis kann man als imperatives Mandat bezeichnen. Sollte die Vertretung der Verbandsposition im Gremium der:dem jeweiligen Vertreter:in aus grundlegenden moralisch-politischen Gründen in seltenen Einzelfällen nicht möglich sein, ist dies der Gruppe gegenüber transparent zu machen. Hier ist die Erwartung, dass in diesem Fall mindestens nicht aktiv gegen die Verbandsposition abgestimmt oder argumentiert wird.

    Die zweite Gruppe hat ihre Ämter nicht als Vertreter:innen der Basisgruppe bekommen, kann also nicht genauso als an Gruppenpositionen gebunden betrachtet werden. Da sie aber öffentlich als Teil der Gruppe wahrgenommen werden und somit auch Einfluss auf deren Wirkung haben, erwarten wir auch hier regelmäßige Berichte, insbesondere auch über in den Gremien strittige Positionen, und Rücksprache darüber, was die Basisgruppe sich vom Gremium wünscht. Wie alle Mitglieder der Gruppe sind auch sie verpflichtet, die grundlegende politische Ausrichtung der Gruppe (also die Positionierung als sozialistisch, feministisch, basisdemokratisch usw.) zu respektieren und sich im Rahmen der Grundsatzpositionen der Gruppe zu bewegen.

    Sexwork/Prostitution

    Beschluss des Diskussionstages vom 19. Juni 2021

    Immer wieder kontroverse Themen in der feministischen Bewegung sind Sexwork/Prostitution und Pornographie. Die Pornoindustrie ist eine extrem kapitalistische, sexistische und auch rassistische Institution, die nicht auf freiwilliger konsensualer Sexualität beruht. Wir möchten eine Welt, in der die Darstellung von Erotik mit Freiwilligkeit und Gleichberechtigkeit vereinbar ist und keine Unterdrückung fördert. Wir fordern bessere Bedingungen für Pornodarsteller*innen, die frei von patriarchalen Werten sein sollten.
    Beim Thema Sexwork/Prostitution vertreten wir die folgenden Standpunkte:

    1. 1. Wir sind gegen eine Kriminalisierung von Sexarbeiter:innen.
    2. 2. Wir fordern, dass es mehr niedrigschwellige und kostenlose Bildungsangebote im Bereich Prostitution/Sexwork gibt:
      Bereits in der Schule soll über Prostitution und damit verbundene Machtgefälle und Ausbeutungsverhältnisse aufgeklärt und Vorurteile abgebaut werden. Für Sexarbeiter:innen soll es mehr kostenlose mehrsprachige Weiter- und Fortbildungsangebote geben.
      3. Wir fordern Ausstiegs- und Einstiegsprogramme aus der bzw. in die Sexarbeit:
      Die Einsteigerinnenprogramme und Unterstützungangebote für einen Ausstieg sollen u.a. eine mehrsprachige Peer-Beratung von (ehemaligen) Sexworker:innen/Prostituierten beinhalten und Fachberatungen von Sozialarbeiter:innen einschließen
      4. Es muss ein Bleiberecht für Opfer des Menschenhandels geben
      Wenn Betroffene Angst vor Abschiebung oder Repressionen haben müssen, kommt es nicht für sie häufig nicht infrage, sich an Behörden oder die Polizei zu weden und es wird ihnen erschwert, Unterstützung zu erhalte. 5. Wir lehnen Zuhältertum generell ab, nicht nur im Kontext von Zwangsprostitution.
      6. Wir fordern, dass die genossenschaftliche Organisierung von Prostituierten unterstützt wird.
      7. Langfristig ist es unser Ziel, die Umstände abzuschaffen durch die Menschen gezwungen sind sich zu prostituieren um ihre Existenz zu sichern.
      8. Wie ein Großteil der Menschen, die in der Branche arbeiten, lehnen wir das ProstSchG ab und sehen darin keinen Schutz, sondern vor allem Repression. Wir lehnen ein Pflicht-Outing ab:

    Wir fordern, ein neues Gesetz zu verabschieden, das im Austausch mit Interessenverbänden von (ehemaligen) Sexworker*innen/Prostituierten erarbeitet wird und diese Kritikpunkte berücksichtigt.

    Landwirtschaft

    Beschluss des Diskussionstages vom 24. Januar 2021

    Es herrscht der weitverbreitete Irrglaube kleine landwirtschaftliche Betriebe seien automatisch ökologischer oder sozialer als größere, häufig ist jedoch sogar das Gegenteil der Fall. Deswegen befürworten wir demokratische Großbetriebe in Arbeiter:innenhand, da in diesen eine effizientere Produktion möglich ist. Dabei dürfen die Artenvielfalt und die Bodenfruchtbarkeit allerdings nicht gefährdet werden. Es sollte also eine Obergrenze für die Fläche eines einzelnen Feldes geben und die Gestaltung der Landschaft außerdem durch Hecken, Gräben, Brachflächen oder kleine Wälder und Haine in kleinere Gebiete unterteilt werden. Auch bei der Nutzung von Feldern braucht es Abwechslung, um den Boden nicht zu stark zu veröden.
    Die Monopolisierung von Gentechnik in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft sehen wir kritisch und die Patentierung von genmodifizierten Pflanzen halten wir für ethisch problematisch. Die Vertreibenden der genmodifizierten Samen schüren weiterhin eine Abhängigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe, welche dann im jährlichen Rhythmus auf den Kauf des genmanipulierten Samenguts angewiesen sind. Wir erkennen allerdings das Potenzial der Gentechnik zur Bekämpfung von Krankheiten und Hunger an, solange Gentechnik demokratischer Kontrolle unterliegt und nicht Profitinteressen dient. An der Agrarpolitik der Europäischen Union kritisieren wir, dass sie bereits große Betriebe bevorzugt fördert und dadurch kleine Betriebe in ihrer Existenz bedroht. Wir befürworten zwar landwirtschaftliche Großbetriebe, diese müssen jedoch demokratisch organisiert und aufgebaut sein und nicht dadurch, dass Menschen durch Marktmechanismen in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden. Die Prämien sollten nicht nach Kriterien der Fläche, sondern nach Kriterien der Nachhaltigkeit verteilt werden. Die Handelsvorschriften der EU, durch die Obst und Gemüse, das nicht den optischen Standards entspricht, entsorgt werden muss, müssen angepasst werden. Durch die Subventionierungen der EU sind die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Europas billiger als Produkte aus ärmeren Ländern und durch den Export von Überschüssen in ärmere Länder können dort einheimische Produkte am Markt nicht bestehen. Die EU hält dieses System durch die Verknüpfung von Entwicklungshilfen mit Freihandelsabkommen aufrecht, dem wollen wir ein Ende setzen.
    Eine klassenbewusste Agrarpolitik muss die Zweiteilung der Landwirtschaft in ökologische Produkte für Reiche und konventionelle Produkte für Arme entschieden ablehnen. Statt ein BIO-Label einzuführen und für andere Produkte einen schrecklichen Umgang mit Umwelt, Menschen und Tieren zuzulassen, braucht es allgemeine strenge Vorgaben für die Landwirtschaft, die wissenschaftlichen Standards entsprechen. Der ökologische Wandel wird nicht vom Markt geregelt. Wir fordern deshalb eine Landwirtschaft für alle, die sowohl effizient ist und moderne Methoden nutzt, aber auch Nachhaltigkeit und den Schutz von Tier und Umwelt im Fokus hat und dabei Regionalität und Saisonalität beachtet. Leider gehören Massentierhaltung und Tierquälerei in Deutschland noch immer zur Tagesordnung. Dies möchten wir nicht hinnehmen und fordern strenge Schlachtrestriktionen und eine angemessene Haltung von Tieren mit ausreichend Licht, Platz, Freiluft, Futter und Lebenszeit. Mit besseren Haltebedingungen ist die vorsorgliche Behandlung von einer Gruppe an Nutztieren mit Antibiotika nicht im geringsten legitimierbar, auch wenn ein Tier aus dieser Gruppe krank ist. Antibiotika sollen außerdem stark beschränkt werden, um zu verhindern, dass sich beim Menschen durch den Konsum von Tiererzeugnissen Resistenzen gegen Antibiotika bilden.
    Wir wünschen uns eine Welt, in der Tiere nicht mehr geschlachtet werden dürfen.
    Zu befürchten sind in dieser Welt jedoch schlimmere Lebensbedingungen der zum Schlachten gehaltenen Tiere, wenn der Bedarf nach fleischartigen Produkten nicht durch Labor-Fleisch gedeckt werden kann. Wichtig ist deshalb, dass die Erforschung von Labor-Fleisch staatlich stark und ausreichend gefördert wird. Damit auch ohne Labor-Fleisch die Landwirtschaft ressourcenschonender arbeiten kann, fordern wir einen staatlichen Plan, der festhält, wie die Bevölkerung am effizientesten und gleichzeitig am umweltschonendsten ernährt werden kann (mit entsprechenden Subventionen). Nicht nur zum Verzehr von tierischen Produkten werden allerdings Tiere gehalten, denn leider sind auch noch lange nicht alle Kosmetika vegan. Das soll sich ändern: Tiere dürfen nicht zum Zweck der Kosmetika-Produktion Tierversuchen ausgesetzt sein und erst recht nicht zur Verwertung ihrer Körper für kosmetische Produkte verletzt oder getötet werden.
    Uns ist wichtig, dass alle über Tierquälerei und Tierschutz Bescheid wissen, deswegen fordern wir, dass die Aufklärung an Schulen hinsichtlich Tierschutz bzw. der Herstellung von tierischen Produkten auf dem Lehrplan steht. Jede Schulklasse soll dazu verpflichtet sein, einen regionalen, landwirtschaftlichen Betrieb zu besichtigen.
    Laut der WHO haben Deutsche ihren Fleischkonsum auf die Spitze getrieben. Wir fordern mehr veganes oder vegetarisches Essen an Schulkantinen und Mensen generell. Dabei sollen sich die Mensen und Kantinen bei dem Erstellen des Speiseplans an die Gesundheitsvorschriften der WHO halten. Als Maximalgrenze hat die WHO 300 bis 600 g Fleisch pro Woche festgelegt. Heute wird noch in vielen weniger entwickelten Ländern die Landwirtschaft mit traditionellen, weniger produktiven Methoden durchgeführt. Es fehlt an der nötigen Infrastruktur oder Elektrizität, Wasserversorgung, modernen Maschinerie und dem Kapital. Es ist die Pflicht der Industrieländer, die ihre Entwicklung der Ausbeutung ehemaliger Kolonien und heute den postkolonialen Machtverhältnissen verdanken, eine Entwicklungshilfe durchzuführen, die nicht bloß aus blinden Geldzahlungen besteht, sondern zum Ziel hat in der gesamten Welt die modernen landwirtschaftlichen Methoden zu verbreiten, um den Hunger zu bekämpfen und neue Möglichkeiten zur Entwicklung zu schaffen.
    Dass der Welthunger bereits heute durch bessere Verteilung von Lebensmitteln und Abbau der Fleischindustrie beendet werden könnte, zeigt uns, dass das blinde Spiel der Kräfte am Markt durch eine vernunftgeleitete Politik abgelöst gehört. Die deutsche Landwirtschaft ist heute abhängig von Saisonarbeiter:innen aus Osteuropa. Im Frühling 2020 zeigte sich wie störungsanfällig diese Ordnung ist. Um mehr Arbeiter:innen aus Deutschland zur Erntearbeit zu motivieren und um die Lage der Saisonarbeiter:innen zu verbessern muss in der Erntearbeit endlich ein konsequenter Mindestlohn gezahlt werden und eine Sozialversicherung für alle eingerichtet sein. Die Behauptung Deutsche seien sich für solche Arbeiten zu fein ist ein medial propagierter Mythos, denn sobald die Arbeit fair entlohnt wird, werden die Arbeiter:innen kommen, so wie es in allen Branchen passiert. So lange in Deutschland noch Tiere geschlachtet werden, ist der Beruf des:r Schlachter:in eine Tätigkeit, die strapazierender ist und nachhaltiger die Psyche schädigt, als viele andere Arbeiten. Für die Mitarbeiter:innen von Schlachtbetrieben fordern wir: 50% mehr bezahlten Urlaub und staatlich organisierte Seelsorge. Wer für die Gesellschaft eine so grauenvolle Arbeit übernimmt, der hat es verdient, dass diese gebührend entlohnt wird und dem steht es außerdem zu seelsorgerische und psychologische Dienste in Anspruch zu nehmen um außerhalb der Arbeit nicht vom Schatten dieser verfolgt zu werden.