Wie die kommunistische Regierung in Kerala den Corona-Virus stoppte

Bei all den bedrückenden Nachrichten und anstrengenden Debatten über den richtigen Weg durch die Corona-Krise erscheinen die Berichte aus der Region Kerala in Indien wie aus einer anderen Welt.

Kerala ist ein flächenmäßig kleiner Bundesstaat im Süden Indiens mit einer Bevölkerung von 33 Millionen Menschen. Seine Besonderheit ist das alternative politische System, welches durch jahrzehntelange Kämpfe der politischen Linken erreicht wurde. Während im Rest Indiens die faschistoide BJP die stärkste Kraft ist, wechseln sich in Kerala seit Jahrzehnten die sozialdemokratische Kongresspartei und die von der Kommunistischen Partei dominierte Linke Demokratische Front ab. Die Errungenschaften, die die linken Bewegungen in den Regierungszeiten der Kommunist*innen erkämpften, genießen so breiten gesellschaftlichen Rückhalt, dass auch die Kongresspartei sie in ihren Regierungsperioden nicht angetastet hat. Kerala zeichnet sich durch eine weit überdurchschnittliche demokratische Partizipation und aktivistische Bevölkerung aus. Dieses Engagement spiegelt sich heute im politischen und ökonomischen System von Kerala wieder. In keiner anderen Region in Indien konnten Frauen und Minderheiten so starke Rechte erkämpfen. Während im Rest Indiens Femizide fast zur Normalität gehören, ist die Laga in Kerala viel besser, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass der im Rest Indiens herrschende Männerüberschuss in der Bevölkerung in Kerala nicht existiert. 

Darüber hinaus genießen alle Menschen in Kerala viel mehr institutionalisierte demokratische Mitbestimmung auf allen Ebenen. Gleiches gilt in der Wirtschaft, wodurch der generierte Wohlstand wesentlich gleicher unter der Bevölkerung verteilt wird, anstatt dass dieser sich in den Händen einer kleinen Elite konzentriert. Der Human Development Index der vereinten Nationen bewertet die Lebensqualität in Kerala als vergleichbar mit den reichen Staaten des Westens, was im gesamten globalen Süden einmalig ist. 

Bei der Bewältigung der Corona-Krise hat Kerala trotz viel niedrigerer finanzieller Ressourcen weitaus mehr Erfolg als Länder des Westens: Kerala ist ein Staat mit hohen Migrationsbewegungen und viel Tourismus, weshalb Kerala der erste indische Bundesstaat war, in dem das Corona-Virus auftrat. Doch während im Rest Indiens die Coronalage immer mehr eskalierte und die Infektionen enorm stiegen, wurde dies in Kerala verhindert: Die Neuinfektionszahlen sind auch im Vergleich zu westlichen Staaten winzig und Kerala hat sowohl die niedrigste Todesrate als auch die höchste Genesungsrate ganz Indiens. Trotz einer schlechten Ausgangssituation hat Kerala also einmalig gut die Coronakrise bewältigt. Wie konnte dies gelingen?
Die kommunistische Regierung reagierte viel früher als andere Staaten auf die Epidemie: Während im Westen Corona lange heruntergespielt wurde, richtete Kerala kurz nach Bekanntwerden des Virus und bereits eine Woche bevor der erste Coronafall bestätigt wurde ein Rapid-Response-Team ein. Man begann mit dem Aufbau von 600 lokalen Covid-19-Zentren und stärkte Gesundheitsstrukturen, um das Infektionsgeschehen im Blick zu halten. Statt, wie in Deutschland, die Parole “Flatten the Curve” auszugeben, wolte man in Kerala nicht einfach Corona im verwaltbaren Rahmen halten, sondern den Virus komplett aufhalten: Gesundheitsministerin K. K. Shailaja ist mittlerweile international als “Coronavirus Slayer” berüchtigt, nachdem sie bereits 2018 internationale Anerkennung für ihre Rolle bei der Bekämpfung des Nipah-Virus erhielt. 

Durch die Kampagne “Break the Chain” gelang es der Regierung, die Infektionszahlen niedrig zu halten. Auf der einen Seite implementierte die Regierung in Kerala strenge Maßnahmen. Versammlungen in der Öffentlichkeit wurden verboten, darüberhinaus wurden die Distrikte Keralas nach ihrer Infektionszahl in drei Zonen klassifiziert, in den roten Zonen mit den meisten Infektionen gilt in den Städten ein strikter Lock-Down, infizierte Dörfer wurden abgeriegelt, um die Ausbreitung zu verhindern. Aber auf der anderen wurde die Bevölkerung umfassend versorgt. Lieferdienste brachten essentielle Güter direkt zu den Menschen nach Hause und Schulen belieferten Kinder mit Essen, was gerade aus feministischer Perspektive entscheidend ist, da in Deutschland stattdessen während dem Lockdown ganz auf unbezahlte Arbeit von Frauen gesetzt wurde. Auch um migrantische Arbeiter*innen kümmerte sich die Regierung, während öffentliche Kommunikationskanäle Fake News bekämpften und therapeuthische Telefondienste eingerichtet wurden um Menschen mit psychischen Belastungen zu unterstützen. 

Anhand Keralas Umgang mit der Coronakrise wird klar, dass staatliches Krisenmanagement unter einer kommunistischen Regierungspartei schnell und effektiv durchgeführt werden kann. Schnelle Reaktionen auf den Ausbruch der Pandemie werden leider zu oft von kapitalistischen Interessen verhindert. Wie gut eine Regierung mit Krisen wie der Corona-Krise umgeht, hängt nicht einfach damit zusammen, ob sie genug Know-How hat, die Hauptfrage ist nicht, wie kompetent eine Regierung ist, sondern damit, ob sie überhaupt im Interesse der Bevölkerung handelt oder im Interesse der Konzerne.