Antidiskriminierung und Klassenkampf

Beschluss des Diskussionstages vom 12. Oktober 2022

Als Linke verfolgen wir grundsätzlich den Anspruch, jede Form von Unterdrückung zu bekämpfen und das Patriarchat und Rassismus abzuschaffen. Um das zu erreichen, gibt es verschiedene strategische Ansätze: Einerseits wird in manchen am politischen Liberalismus orientierten Ansätzen, die sich unter dem Begriff „Antidiskriminierung“ zusammenfassen lassen, stark moralisch an diskriminierende Personen appelliert, doch ihr Handeln zu verändern und oft gehofft, mit der richtigen Bildung deren Ideen von diskriminierenden Gedanken zu befreien. Gleichzeitig gibt es andere Ansätze, die stärker auf den Aufbau von Macht durch die Unterdrückten selbst setzen, um diese unterdrückenden Verhältnisse abzuschaffen. Der letzten Strategie liegt die Auffassung zugrunde, dass Diskriminierung und Unterdrückung systematisch geschieht und auf dieser Basis Leute das Interesse haben, entweder verschiedene Formen von Unterdrückung aufrechtzuerhalten oder abzuschaffen. Folgt man dieser Annahme, ist logisch, nicht seine Ressourcen darauf zu verwenden, moralisch an diskriminierende Personen zu appellieren, sondern gemeinsam sich zu verbünden, um Macht gegen die Unterdrückung aufzubauen.

Wir als linksjugend [‘solid] Köln kritisieren deshalb Ansätze der Antidiskriminierung, die bspw. Rassismus durch Sensibilisierung der Polizei und das Patriarchat durch Workshops zu kritischer Männlichkeit abschaffen wollen, als zu kurz gedacht. Auch viele Unternehmen nutzen solche Angebote, um sich als woke darzustellen und Kritik an ihrem ausbeuterischen Charakter im kapitalistischen System abzuwehren. Wir gehen nicht aktiv gegen solche Projekte vor, aber ordnen sie kritisch ein und plädieren ganz grundsätzlich für eine Strategie, die die Welt durch Selbstorganisation und den Aufbau von Druck statt auf moralische Appelle an Herrschende oder von Unterdrückung profitierende Menschen setzt.

Als sozialistische Organisation haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Kapitalismus abzuschaffen und für eine Gesellschaft zu streiten, in der jede:r nach ihren Bedürfnissen Unterstützung erhält und jede:r je nach ihren eigenen Fähigkeiten selbst Arbeit leistet. Während niemand von uns vom Kapitalismus profitiert, also zur Klasse der Kapitalist:innen gehöhrt, und wir alle in unterschiedlichem Maße ausgebeutet werden in diesem System, sind nicht alle von uns von Rassismus betroffen. Manche von uns profitieren vom Patriarchat, die Meisten leiden in unterschiedlichem Maße unter ihm.  Ähnliches gilt auch bei anderen Diskriminierungsformen. Diese unterschiedlichen Erfahrungen von Unterdrückung im Kapitalismus können schnell zu einer Zersplitterung von Gruppen führen, die sich oft zerstreiten und spalten, obwohl sie alle das Ziel eint, den Kapitalismus abzuschaffen. Damit wir konstruktiv den Kapitalismus an seinen Wurzeln packen können, ist es wichtig, dass gemeinsame politische Arbeit nicht durch Mackertum und anderes diskriminierendes Verhalten in der eigenen Organisation erschwert bis verunmöglicht wird. Der gemeinsame klassenkämpferische Anspruch darf keine Ausrede sein, patriarchale, rassistische, ableistische, antisemitische und ähnliche Machtverhältnisse und Vorurteile in der eigenen Gruppe unhinterfragt zu lassen. Deshalb wollen wir Diskriminierung und Reproduktion von Unterdrückung in unserer eigenen Organisation bekämpfen und gleichzeitig gemeinsam Macht von unten gegen Unterdrückung aufbauen!

Sexwork/Prostitution

Beschluss des Diskussionstages vom 19. Juni 2021

Immer wieder kontroverse Themen in der feministischen Bewegung sind Sexwork/Prostitution und Pornographie. Die Pornoindustrie ist eine extrem kapitalistische, sexistische und auch rassistische Institution, die nicht auf freiwilliger konsensualer Sexualität beruht. Wir möchten eine Welt, in der die Darstellung von Erotik mit Freiwilligkeit und Gleichberechtigkeit vereinbar ist und keine Unterdrückung fördert. Wir fordern bessere Bedingungen für Pornodarsteller*innen, die frei von patriarchalen Werten sein sollten.
Beim Thema Sexwork/Prostitution vertreten wir die folgenden Standpunkte:

  1. 1. Wir sind gegen eine Kriminalisierung von Sexarbeiter:innen.
  2. 2. Wir fordern, dass es mehr niedrigschwellige und kostenlose Bildungsangebote im Bereich Prostitution/Sexwork gibt:
    Bereits in der Schule soll über Prostitution und damit verbundene Machtgefälle und Ausbeutungsverhältnisse aufgeklärt und Vorurteile abgebaut werden. Für Sexarbeiter:innen soll es mehr kostenlose mehrsprachige Weiter- und Fortbildungsangebote geben.
    3. Wir fordern Ausstiegs- und Einstiegsprogramme aus der bzw. in die Sexarbeit:
    Die Einsteigerinnenprogramme und Unterstützungangebote für einen Ausstieg sollen u.a. eine mehrsprachige Peer-Beratung von (ehemaligen) Sexworker:innen/Prostituierten beinhalten und Fachberatungen von Sozialarbeiter:innen einschließen
    4. Es muss ein Bleiberecht für Opfer des Menschenhandels geben
    Wenn Betroffene Angst vor Abschiebung oder Repressionen haben müssen, kommt es nicht für sie häufig nicht infrage, sich an Behörden oder die Polizei zu weden und es wird ihnen erschwert, Unterstützung zu erhalte. 5. Wir lehnen Zuhältertum generell ab, nicht nur im Kontext von Zwangsprostitution.
    6. Wir fordern, dass die genossenschaftliche Organisierung von Prostituierten unterstützt wird.
    7. Langfristig ist es unser Ziel, die Umstände abzuschaffen durch die Menschen gezwungen sind sich zu prostituieren um ihre Existenz zu sichern.
    8. Wie ein Großteil der Menschen, die in der Branche arbeiten, lehnen wir das ProstSchG ab und sehen darin keinen Schutz, sondern vor allem Repression. Wir lehnen ein Pflicht-Outing ab:

Wir fordern, ein neues Gesetz zu verabschieden, das im Austausch mit Interessenverbänden von (ehemaligen) Sexworker*innen/Prostituierten erarbeitet wird und diese Kritikpunkte berücksichtigt.